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Sprachentwicklung im Kontext der Gesamtentwicklung

Die Sprache des Kindes entwickelt sich auf der Grundlage bestimmter Fähigkeiten und kultureller Gegebenheiten. Den Rahmen für alle Spracherwerbsprozesse bilden familiäre Einflüsse und sprachliche Anregungen. Die folgende Tabelle ist von oben nach unten quasi chronologisch zu lesen: innerhalb der Gesellschaft, in die das Kind geboren wird, muss es sich sensorisch, emotional und geistig entwickeln, bevor es beginnen kann, Sprache zu erwerben. Voraussetzungen für die aktive Sprachprodukion in Artikulation, Wortschatz und Grammatik wiederum sind Sprachverständnis und Freude an Sprache. Auf einen gelungenen Erstspracherwerb kann dann das erfolgreiche Erlenern der Schriftsprache erfolgen.  

Sprache entwickelt sich durch tägliche Kommunikation mit Bezugspersonen. Eltern sollten sich sprachfördernd verhalten, indem sie:

> Blickkontakt herstellen: vermittelt emotionale Nähe und Zuwendung; Artikulationsstellungen des Mundes können abgelesen werden;

> nicht nachsprechen lassen: mindert Sprachfreude des Kindes, vermittelt Misserfolgserlebnisse; nicht Form ist jetzt wichtig sondern Inhalt des Gesagten;

> zuhören: dem Kind genug Zeit geben, sich zu äußern trotz Ungeschicklichkeiten;

> aussprechen lassen: Kinder beim Erzählen nicht unterbrechen oder Verständnis signalisieren bevor Kind zu Ende gesprochen hat (oder z.B. Tasse reichen, wenn Kind nur drauf deutet);

> Sprachanregungen geben: deutlich und verständlich sprechen, Ausdrucksweise dem Entwicklungsstand des Kindes gemäß, Gelegenheiten für Gespräche suchen.

Umwelt, Gesellschaft, Kultur

> Liebe und Zuneigung, Akzeptanz und Wohlwollen

> keine Überfürsorge

(bei Störungen der Sprachentwicklung: herausfinden, ob dies alles zutrifft, bzw. ob es evtl. übertrieben wird und durch Bevormundung eigene Lernprozesse verhindert werden)

Kind ist eingebettet in seine Lebensumwelt - Kultur und Gesellschaft vermitteln sich über Erziehung und zeigen Kind die Art, wie es die Welt betrachten wird/soll.
>> auch der Gebrauch der Sprache und ihre Ausgestaltung wird durch das Umfeld des Kindes geformt.

Sensomotorische Entwicklung

Sozialemotionale Entwicklung

Geistige Entwicklung
Hirnreifung

Hören: Kinder können schon im Mutterleib hören; beginnen ab 7. Lebensmonat fremde und eigene Laute nachzuahmen, wenn nicht und weniger oder keine Lautproduktion mehr: Alarmsignal für Schwerhörigkeit (denn ausschlaggebend für Lallen sind ab 7.M. nicht mehr taktile Berührungsreize an Lippen und Zunge, sondern das Sich-Selbst-Hören können/wollen).
>> Wahrnehmung von Lauten ist notwendige Anregung für Fortgang der Sprachentwicklung.

Sehen: Kinder entdecken über Augen ihre Umwelt und schauen sich die Mundbilder von anderen beim Sprechen ab und versuchen sie nachzuahmen; viele blinde Kinder weisen Sprachentwicklungs-
Verzögerung auf, da sie zum einen viele Dinge ihrer Umwelt nicht erfassen und zum anderen die richtigen Mundstellungen nicht ablesen können.
>> visuelle Wahrnehmung ist wichtig für altersgemäße Artikulation.

Stimme: Schreien des Säuglings trainiert Stimmbänder; Schreien als erste Kommunikation - gewinnt für Betreuer schnell an bestimmten Bedeutungen, Säugling lernt dadurch, dass Schreien Reaktionen der Umwelt bewirkt und er so mit seiner Umwelt in Kontakt treten kann; erste zwischenmenschliche Beziehung.
>> Stimmbänder erhalten durch das Schreien ihre Funktion als "Tongeber" und ermöglichen Kommunikation.

Lallen: lustbetonte Lallphase mit Jauchzen, Gurren, Verknüpfung von Lauten; Produktion von mehr Lauten, als es in der jeweiligen Muttersprache gibt; Vergnügen beim Auslösen und Ausprobieren von taktilen Reizen im Mund/Lippenbereich, die die Lautproduktion begleiten.
>> Lallen regt Feinmotorik im Oralbereich an als Voraussetzung für die später für gezielte Sprachproduktion 
notwendige
Wahrnehmung
von Lippen- und Zungenbewegungen.

Tastsinn: Fühlen mit Zunge und Lippen, Erspüren von Kräften bei Bewegungen und von Muskelspannungen; Tastsinn ist für Sprache nötig um Phoneme wie /b/ und /p/ oder /t/ und /d/ zu unterscheiden. Körper erwirbt Fähigkeit, blitzschnell die Lage von Körperteilen zueinander zu erfassen, z.B. bei der Lautbildung von Lippen zu Zunge oder Öffnungswinkel des Mundes.
>> Tastsinn und Bewegungsempfindung (kinästhetische und propriozeptive Wahrnehmung) sind wesentliche Wahrnehmungskanäle beim Sprechenlernen.

Motorik: Grobmotorik (Krabbeln, Laufen etc.) ermöglicht Kind, Zugriffsradius auf Dinge zu erweitern, die seine Feinmotorik trainieren, wie greifen, berühren, Bewegungen fein abzustimmen, Berührungsreize entschlüsseln, Kraft dosieren und Spannungszustände der Mundmuskulatur zu kontrollieren.
>> Grobmotorik und bes. Feinmotorik sind wichtig, da zielgerichtete willentlich gesteuerte Lippen- und Zungenbewegungen präzise ausgeführt werden müssen (entwickelt sich mit Hilfe des Tastsinns und der Eigenkontrolle). 

 

Je nach Art der ersten zwischenmenschlichen Begegnungen des Säuglings mit seinen Bezugspersonen entwickelt sich seine Grundhaltung zur Umwelt: wenn das Kind sich in den ersten Jahren emotional angenommen fühlt und Vertrauen und Geborgenheit erfährt, wird es ein grundlegendes Urvertrauen aufbauen, das es ihm sein Leben lang ermöglichen wird, Beziehungen zu anderen Menschen einzugehen und sich aktiv auf seine Umwelt einzulassen. Die Eltern-Kind-Bindung ist maßgebend für das Gefühlsleben eines Menschen.
>> Sprechen bedeutet, Beziehungen zu anderen Menschen herzustellen und fähig zum sozialen Kontakt zu sein; das Kind muss die Möglichkeit haben, sich sozialemotional günstig entwickeln, um Sprechen als Hinwendung zur Welt zu erlernen.

Das Gehirn des Kindes reift im Laufe der Kindheit, seine geistigen Fähigkeiten nehmen zu. Besonders bedeutend für die Sprachentwicklung sind das Wiedererkennen, das Erinnern die Unterscheidungsfähigkeit, Zuordnungsfähigkeit und das Verstehen von Mimik und Gestik.
>> Anregungen zur geistigen Entwicklung wirken sich auch auf die Sprachentwicklung aus.

Sensomotorische Integration

Kind kann erst dann Sprache störungsfrei erwerben und beherrschen, wenn es die oben genannten Fähigkeiten und Entwicklungsprozesse miteinander verknüpfen kann, also die Sinnesbereiche mit Bewegung und Denken >> sensomotorische Integration.

Sprechfreude

Sprachverständnis

Nachahmung von Lauten im Säuglingsalter und Echolalie in ersten 2 Jahren (Wiederholung von gehörten Äußerungen) bereiten Kind Vergnügen und sind aktiver Schritt zum Sprechenlernen. Sprechversuche des Kindes müssen freudig und lobend aufgegriffen werden, damit es merkt, dass seine Kommunikation erfolgreich ist.
>> Sprechfreude ist wichtige Voraussetzung für gelungene aktive Kommunikation.

Sprachverständnis entwickelt sich durch Neugier und Interesse des kleinen Kindes an seiner Umwelt und durch zwischenmenschliche Kontakte.
>> Sprachverständnis ist der aktiven Sprachproduktion stets voraus; Kind kann aufgrund des Gehörten Handlungen ausführen, bevor es sie selbst aussprechen kann (ab ca. 1 Jahr).

Artikulation

Wortschatz

Grammatik

Ca. mit 1 Jahr bildet Kind gezielt bestimmte Laute - jene, die sich vom Mund leicht ablesen lassen und leicht zu bilden sind (/m/ und /p/) > erste Worte: "Mama" und "Papa".
>> zuerst Laute im vorderen Mundbereich, dann mittleren (z.B. /l/, /n/, /t/), zuletzt Laute und Verbindungen aus dem hinteren Mund- und Rachenbereich (wie /kr/ und /gl/).

Passiver Wortschatz ist immer wesentlich größer als der aktive. Beide wachsen stetig.
Zuerst nur Bezeichnungen von Dingen, die konkret und alltäglich wahrnehmbar sind, dann auch solche, die Dinge außerhalb seiner unmittelbaren Reichweite benennen ("Himmel") und Abstraktes ("Liebe").

Die ersten Einzelworte des Kindes sind zugleich Sätze (Einwort-Äußerungen); "Mama" kann je nach Stimmklang, Mimik, Gestik und Situation etwas anderes bedeuten.
Dann Zwei-und Mehrwort- Äußerungen mit immer mehr Satzbestandteilen (Pronomen etc.) und Nebensatzkonstruktionen. Regeln der Sprache werden zunehmend erkannt, gemerkt und angewendet.

Schriftsprache

Weiterführung der allgemeinen Sprachentwicklung, da sie auf Sprachfähigkeiten des Kindes aufbaut. Durch Schriftspracherwerb entwickelt sich Fähigkeit, Laute und Verbindungen differenziert wahrzunehmen, die sicht- und hörbaren Unterschiede (visuelle und auditive Diskrimination) zu erkennen und aus Vorstellungen Worte zusammenzusetzen.
>> Wahrnehmungs- und Differenzierungsfähigkeit und Sprechmotorik müssen gut entwickelt sein, um Schriftsprache erfolgreich zu erlernen.

 verwendete Literatur: Wendlandt: Sprachstörungen im  Kindesalter. Stuttgart 2000.

 

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