Wenn die Frage nach einer längerfristig unterstützten Linuxdistribution auftaucht, wird oft auch Opensuse als Möglichkeit genannt. Doch das scheint kein guter Rat zu sein.
Softwareverwaltung von Opensuse Leap
Fluch und Segen an Linux auf dem Desktop ist die Qual der Wahl, sowohl bei Desktopoberflächen als auch bei den Distributionen selbst. Die Auswahl macht manchmal Kopfschmerzen, aber es ist auch reizvoll, aus unterschiedlichen Konzepten wählen zu können, die allein schon deshalb viel passgenauer auf die eigenen Anforderungen zugeschnitten werden können.
Wie schnell man trotzdem in eine Sackgasse laufen kann, obwohl man sich im Vorfeld ausgiebig informiert, zeigt die Erfahrung mit Opensuse. Als Opensuse Leap 15.0 herauskam, dachte ich: Gibst du der Sache mal eine Chance. Und installierte auf einem Rechner einmal nicht Ubuntu LTS, Debian Stable oder ein Mageia, sondern eben das neue Leap. Denn bei Opensuse fährt man seit einiger Zeit zweigleisig: „Opensuse Leap“ ist die klassisch herausgegebene Variante der Distribution mit berechenbaren Supportzeiträumen, während „Opensuse Tumbleweed“ ständig neue Funktionen erhält.
Eigentlich zwei Geschwindigkeiten zur Wahl
Das klang alles richtig gut: Während Tumbleweed die Rolling-Release-Fraktion bedient, wird mit Leap die konservative Nutzerschaft angesprochen. Für Leap 15 waren mindestens 36 Monate Unterstützung in den Raum gestellt. Drei Jahre Sicherheitsaktualisierungen, das ist nicht ganz so lange wie bei Ubuntu LTS, aber ausreichend viel, vor allem im Vergleich zu Fedora. Also fast schon Langzeitsupport.
Schließlich kommt es selten vor, dass beim Aufsetzen eines Rechners zufällig auch die gewünschte Distribution gerade taufrisch erschienen ist. Ein paar Monate Spielraum sollte es daher im klassischen Installationsmuster schon geben. Wer will schon eine „noch aktuelle“ Version installieren, die nach 6 Monaten schon wieder eingestellt wird? Das kann einem natürlich auch bei einer 3-Jahres-Distribution passieren, wenn man zum Ende der Produktlebensdauer installiert, doch ein bisschen zeitlicher Puffer ist nie verkehrt.
3 Jahre Ruhe haben, das war der Plan
Vor allem aber war es von Anfang an verheißene längere Unterstützung durch das Projekt selbst – zuvor hatte es mehrmals mit dem zusätzlichen „Evergreen“-Projekt Versuche gegeben, Langzeit-Support quasi „nachzurüsten“. Also Leap 15 installieren, und dann 3 Jahre Ruhe haben. So war der Plan. Pustekuchen. Als bei der grünen Distribution Ende vergangenen Jahres plötzlich die Updates ausblieben, dachte ich schon, dass irgendetwas kaputt gegangen wäre oder dass ich versehentlich etwas verkonfiguriert hätte. „Kaputt“ war aber tatsächlich nur das Release.
Denn sang- und klanglos war das Produktende bereits erreicht worden. Nach knapp 18 Monaten. Die angekündigte Produktlebensdauer hatte man also mal eben halbiert, statt 3 Jahre gab es letztlich nur anderthalb Jahre Aktualisierungen. Mit anderen Worten: Damit wäre auch Fedora keine schlechtere Wahl gewesen.
3 Jahre Versorgung mit Sicherheitsupates waren angekündigt
Noch schlimmer: Die Nachfolgeversion 15.1, auf die Anfang Dezember 2019 aktualisiert werden musste, erreicht nicht mal mehr die Lebensdauer von einem Jahr: Schon im kommenden November müsste auch hier wieder auf 15.2 gewechselt werden. Damit wird sogar das als zu flott geltende Fedora unterboten, bei dem man maximal ca. 13 Monate Freude haben kann, bevor die Folgeversion installiert sein muss. Gerade da es doch neben Leap auch noch Tumbleweed gibt, das stets aktuell ist, ist das rasche Ende der Leap-Versionen Leap-Hauptversionen nur schwer verständlich.
Fatales Signal
Für die langzeitinteressierte Nutzerschaft hätte man bei Opensuse kein fataleres Signal senden können. Selbst wenn Opensuse nun noch einmal Quasi-Langzeitsupport bei Version 16 ankündigen würde – darauf zählen würde ich nicht mehr. Das Vertrauen ist dahin, was verlässliche Zeiträume betrifft. Da wird dann eher tatsächlich Ubuntu wieder interessant.
Denn dieses hat inzwischen in diesem Punkt ein Alleinstellungsmerkmal. Ubuntu ist eine der wenigen desktopzentrierten Distributionen, die echte Langzeitunterstützung bieten und bei denen man nicht alle paar Monate zum Upgrade gezwungen ist. Abseits von Debian und Abkömmlingen bleibt es somit schwierig, wenn man nicht gleich zu Unternehmenslösungen greifen möchte, aber ein wartungsarmes System bevorzugt.