Interaktion
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Wann kann man sich am besten mit dem Baby unterhalten?
Damit ein erfreulicher Austausch, eine “schöne Unterhaltung”, mit dem Baby zustande kommen kann, muss es sich in wacher, aufmerksamer Stimmung befinden und frei von anderen drängenden Bedürfnissen wie etwa Hunger sein.
Neben diesem wachen Aufmerksamkeitszustand kann das Baby sich noch in fünf weiteren Schlaf- und Wachzuständen befinden, die es von einander zu unterscheiden gilt, wenn man feinfühlig mit dem Baby umgehen will. Normalerweise wechselt das Baby Schritt für Schritt von einem Zustand in den nächsten – das bedeutet für die Eltern, dass sie bereits in etwa vorhersehen können, was das Baby als nächstes tun wird. Das ist ein schönes Gefühl für die Eltern, denn sie kennen ihr Baby bald so gut, dass sie wissen, wie es sich in welchem Zustand verhält und wie sie selbst ihm am besten beim Wechseln der Zustände helfen können. Das ist wichtig, um z.B. einem Baby, das gerade aufwacht, einen Anstoß zu geben, in die wache Aufmerksamkeit zu wechseln, damit es in den für seine Entwicklung und die Eltern-Kind-Bindung bedeutenden emotionalen, spielerischen Austausch mit seinen Eltern und seiner Umwelt eintreten kann. Oder, um rechtzeitig zu verhindern, dass das Baby ins Schreien gerät, nachdem es schon eine Weile durch Quengeln angedeutet hat, dass es unzufrieden ist.
Wie man die einzelnen Verhaltenszustände erkennen kann
Schlaf:
Tiefschlaf: Das Baby atmet tief und gleichmäßig, hält die Augen fest geschlossen und bewegt sich gar nicht. Für Reize von außen ist das Baby ziemlich unempfänglich und reagiert nicht. Im Tiefschlaf erholt sich das Baby.
Traumschlaf: Ein leichterer Schlafzustand, in dem das Baby teilweise unregelmäßig, flach und schneller als im Tiefschlaf atmet. Seine Augen sind zwar geschlossen, aber man sieht, wie sie sich unter den Lidern kreisend bewegen. Das Baby bewegt sich öfter, zuckt, dreht und streckt seinen Körper, lächelt zuweilen und macht Saugbewegungen mit dem Mund. Für Geräusche u.ä. von außen ist es jetzt empfänglich und könnte davon aufwachen.
Halbschlaf: Das Baby schläft nicht mehr richtig, kann aber auch noch nicht aufmerksam sein. Sein Blick wirkt noch abwesend, es öffnet und schließt die Augen abwechselnd. Es atmet regelmäßig, aber schneller als im Tiefschlaf. Zeitweise bewegt es sich etwas. Wenn man das Baby jetzt anspricht und ihm Anregungen gibt, wacht es komplett auf.
Wachsein:
ruhige Aufmerksamkeit: Das Baby hat offene, strahlende Augen und blickt aufmerksam, aber ruhig umher. Es bewegt sich, zappelt aber nicht unruhig. Wenn man es jetzt anspricht, kann ein erfolgreicher Austausch entstehen, denn das Baby reagiert positiv auf Ansprache und Spielangebote, lächelt und brabbelt. In diesem Zustand lernt das Baby.
Quengeln: In dieser Stimmung ist das Baby bereits überreizt oder zu abgelenkt durch körperliche Bedürfnisse wie Hunger. Es wird zunehmend unruhig, macht unkoordinierte Bewegungen mit Armen und Beinen und kann sich nicht mehr konzentrieren. Es ist aber noch ansprechbar für beruhigende Maßnahmen. Das heißt, wenn die Eltern jetzt eingreifen, können sie es möglicherweise in einen ruhigen, aufmerksamen Zustand zurückführen. Gelingt das nicht, fängt das Baby an zu schreien.
Schreien: Spätestens mit dem Schreien wird den Eltern klar, dass das Baby etwas braucht. Jetzt müssen sie herausfinden, was das sein könnte, um das Baby wieder in ruhigere Verhaltenszustände zurückzuführen.
Das Baby bringt eine gewisse Fähigkeit mit auf die Welt, selbst ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Zuständen zu finden. Es kann sich z.B. manchmal alleine beruhigen, indem es an seinen Fingern nuckelt. Oder es fällt einfach in den Tiefschlaf, wenn es von all den Anregungen um es herum überreizt ist. Diese Fähigkeit zur “Selbstbestimmung” ist aber noch recht eingeschränkt und das Baby passt sich auch nur langsam an den neuen Rhythmus zwischen Wachen und Schlafen außerhalb des Mutterleibes an. Auf jeden Fall braucht das Baby dringend die einfühlsame Unterstützung seiner Eltern, um sein Gleichgewicht immer wieder zu finden. Auch diese gemeinsame Ausbalancierung von Babys Verhaltenszuständen bildet einen Teil des Bindungsprozesses – je feinfühliger die Eltern dem Baby helfen, desto sicherer wird es sich bei ihnen fühlen!
Den Eltern fällt es auch normalerweise gar nicht schwer, sich an das Verhalten und die Fähigkeiten ihres Babys anzupassen und es dadurch zu fördern. Feinfühliger Umgang mit einem Baby hat nämlich sehr viel mit Intuition zu tun. Denn nicht nur das Baby ist perfekt auf den wichtigen alltäglichen Austausch mit seinen Eltern vorbereitet…
…denn Eltern wissen, was sie tun!
Normalerweise gelingt es Eltern leicht, die Signale ihres Babys und seine Aufforderungen zum Austausch wahrzunehmen, zu verstehen und sich auf sie einzustellen. Die Gegenwart eines Babys ruft nämlich in den Eltern – genau genommen, in allen Erwachsenen und auch schon in älteren Kindern – bestimmte genetisch angelegte Verhaltensmuster wach, die für die Entwicklung des Babys und seiner Bindung an die Eltern besonders förderlich sind.
Diese “Verwandlungen” des Verhaltens, des körperlichen Ausdrucks und der Sprache im Austausch mit einem Baby muss man nicht erst lernen, sondern sie bilden das natürliche Gegenstück zu dem, was das Baby selbst bereits in den Austausch einbringen kann. Sein oben beschriebenes angeborenes Repertoire an Ausdrucks- und Gesprächsmöglichkeiten bildet so starke Reize für die Eltern, dass sie unwillkürlich angepasst reagieren – und zwar in Sekundenbruchteilen, ohne bewusst überlegen zu müssen! Die elterlichen Verhaltensanpassungen werden intuitives Elternverhalten genannt. Sie sichern das Überleben des Babys auch bei ganz unerfahrenen Eltern. Sie führen im Zwiegespräch zwischen Eltern und Baby dazu, dass das Baby seine angeborenen Fähigkeiten gut nutzen und weiterentwickeln kann, weil es durch die Angepasstheit des elterlichen Verhaltens verstehen kann, was die Eltern ihm mitteilen wollen. So lernt das Baby im Austausch immer mehr über seine Eltern – was gut für den Bindungsaufbau ist – und über seine Umwelt – was gut für seine Gesamtentwicklung ist. Eltern sind also von Natur aus die perfekten “Lehrer” ihrer Babys!
Was genau sind denn intuitive Verhaltensweisen der Eltern?
Damit sich besser nachvollziehen lässt, dass Eltern tatsächlich in den allermeisten Fällen genau das Richtige zum richtigen Zeitpunkt tun und entsprechend stolz auf sich sein dürfen, sollen ein paar Beispiele für intuitives Elternverhalten aufgezeigt werden. Diese haben aber ganz und gar nicht den Sinn, sie den Eltern beizubringen! Das wäre auch gar nicht möglich. Im Gegenteil kann bewusstes Nachdenken und das Ausüben von (Selbst-)Kontrolle die perfekt abgestimmte Unterhaltung zwischen Eltern und Baby eher stören. Daher an dieser Stelle nur ein paar allgemeine Tendenzen in den elterlichen Reaktionen auf das Baby:
Verglichen mit der Art, wie Erwachsene miteinander umgehen, ist das Zwiegespräch mit dem Baby durch übertrieben wirkendes Mienenspiel, eine ausladende Körpersprache und einen rhythmischen Sprach-Singsang gekennzeichnet. Außerdem wirkt alles oftmals sehr langsam und gedehnt und wird zudem mehrfach wiederholt. Ein Beispiel könnte lauten: “Ja, wo ist denn meine Süße?? Ja, wo ist sie denn? Hm? … Wo bist du? – Daaaaaa ist sie ja!”, wobei der Tonfall auffordernden Charakter annimmt. Es werden auch oft Pausen eingebaut, als wollte man dem Baby Möglichkeiten zur Antwort einräumen. Außerdem spielt der intensive Blickkontakt eine große Rolle, und die Eltern ahmen oft die Äußerungen oder Gesichtsausdrücke ihres Kindes nach.
Der besondere Sprachstil, der intuitiv im Gespräch mit Babys verwendet wird, wird als Ammensprache bezeichnet. Die Ammensprache zeichnet sich aus durch die Übertreibung der Sprachmelodie, die sich auch ständig wiederholt, übertriebene Betonung und eine erhöhte Stimmlage.
Alle intuitiven elterlichen Verhaltensweisen haben denselben Sinn: dem Baby die eindeutigen, starken und langanhaltenden Signale zu bieten, die es aufgrund seiner Unreife noch benötigt, um aufmerksam zu sein und zu verstehen.
Daher ist es auch völlig unangebracht, sich über die Übertreibungen im gesamten Elternverhalten lustig zu machen oder sich als Eltern gar dafür zu schämen! Eltern, die ihren intuitiven Fähigkeiten einen natürlichen Lauf lassen, fördern ihr Baby und seine Bindung an sie am allerbesten. Eine künstliche Einschränkung der intuitiven Impulse behindert das feine Zusammenspiel zwischen Baby und Eltern. Das Baby genießt es sehr, wenn seine Eltern sich mit ihm auf seiner Ebene unterhalten, auch wenn es ihre Worte noch nicht versteht. Es erfasst auf jeden Fall, dass man sich mit ihm austauscht und auf seine Bedürfnisse eingeht. Das wäre ihm nicht möglich, wenn die Eltern sich mit ihm wie mit einem Erwachsenen unterhalten und versuchen würden, ihm alles ausschließlich über die gesprochene Sprache mitzuteilen.Im Umgang mit dem Baby kommt es also ganz besonders darauf an, seinen eigenen, biologisch begründeten Instinkten zu vertrauen. Auf diese Weise gelingen die intuitive Wahrnehmung und das Verständnis der kindlichen Signale am sichersten und Eltern sind praktisch “automatisch” gute und feinfühlige Eltern und Gesprächspartner für ihr Kind.
Zwiegespräch und Spiel als Ergebnis der kindlichen und elterlichen Fähigkeiten
Weil also sowohl das Baby als auch seine Eltern biologisch bestens für den Bindungsaufbau vorbereitet sind, entstehen von Anfang an ein intensives Zwiegespräch und spielerische Leichtigkeit zwischen ihnen. Im alltäglichen Zusammenspiel verfeinert das Baby seine Ausdrucksfähigkeit, baut seine Wahrnehmungsfähigkeiten aus und findet nach und nach ein immer besseres Gleichgewicht zwischen seinen Verhaltenszuständen. Das merkt man daran, dass es z.B. mit etwa drei Monaten schon viel länger aufmerksam sein kann als im ersten Monat. Außerdem passt es auch seinen Schlaf- und Wachrhythmus seiner Umgebung an. Das Baby lernt also unglaublich viel im Austausch mit seinen Eltern, aber das Wichtigste dabei ist, dass es lernt zu vertrauen: Es erfährt, dass es sich auf seine Eltern verlassen kann, weil sie seine Äußerungen und Bedürfnisse fast immer richtig beantworten. Die besten Voraussetzungen für eine sichere Bindung sind damit geschaffen. Unter bestimmten Umständen kann der Bindungsaufbau trotzdem gestört werden – dieser Text kommt an späterer Stelle darauf zurück.
Doch nicht nur das Baby genießt den spielerischen Austausch und zieht seinen Nutzen daraus – auch seine Eltern machen dabei erfreuliche Erfahrungen! Während jedes Füttern, jedes Spielchen, jeder Blick und jede Berührung dem Baby zeigen, dass es sicher und geborgen bei Menschen ist, die es mögen und ihm gut tun, werden die Eltern immer besser darin, ihr Baby zu trösten und zufrieden zu stellen. Durch die positiven Reaktionen ihres Babys – wenn es sich z.B. durch ihre Zärtlichkeiten beruhigen lässt oder beim Spiel fröhlich lacht – bekommen sie das Gefühl vermittelt, alles richtig zu machen – ihr Selbstvertrauen wächst. Dies gibt ihnen die Kraft und Motivation, weiterhin alles für ihr Baby zu tun. Das Baby gewinnt durch die Erfahrung, dass seine Äußerungen stets beantwortet werden, immer mehr die Gewissheit, dass es fähig ist, seine Bedürfnisse verständlich zu äußern und sich Zuwendung zu verschaffen. Deshalb wird das Wohlbefinden des Babys im Austausch immer offensichtlicher, und wiederum fühlen die Eltern sich durch ihr glückliches Baby in ihrem Vorgehen bestärkt. Wie man sieht, entstehen regelrechte Spiralen der gegenseitigen Verstärkung: die sogenannten “Engelskreise”.
Gibt es etwa auch „Teufelskreise“?
Bestimmte Probleme des Babys oder Eigenschaften seiner Eltern können zu einem “Teufelskreis” im alltäglichen Austausch führen. Dieser zeichnet sich dann nicht mehr durch die oben beschriebene Spirale der gegenseitigen Verstärkung aus, sondern durch eine Abwärtsspirale – Baby und Eltern werden immer unzufriedener mit ihrem gemeinsamen Austausch. Ohne an dieser Stelle auf die einzelnen Gründe dafür eingehen zu können, soll nur festgestellt werden, dass keiner der beiden Partner alleine “Schuld” an der Misere hat. Das Problem liegt im Austausch selber. Das Baby hat das Gefühl, dass seine Eltern es nicht verstehen und ihm nicht helfen, und die Eltern bekommen den Eindruck, dass ihr Baby überhaupt nicht auf ihre großen Bemühungen reagiert. Also schreit das Baby noch mehr, während seine Eltern immer mehr verzweifeln und nicht mehr wissen, was sie noch tun können.
Haben Eltern das Gefühl, dass ihr Baby zu viel schreit und fühlen sie sich am Ende ihrer Kräfte, sollten sie sich – nachdem körperliche Ursachen wie etwa Krankheiten ausgeschlossen wurden – an eine sogenannte “Schreibabyambulanz” oder eine andere Eltern-Säuglings-Beratungsstelle wenden. Bekommen Eltern in solchen Situationen keine Hilfe, können Aggressionen, Wut und Depressionen entstehen, die die Eltern-Kind-Bindungsentwicklung nachhaltig behindern können. In einer Beratungsstelle werden die Eltern über die Hintergründe des kindlichen Schreiens und sein normales Ausmaß informiert. Außerdem werden sie hören, dass sie keineswegs einen Einzelfall darstellen, sondern relativ viele Familien Probleme mit einem “Schreibaby” haben. Außerdem erhalten sie natürlich nützliche Tipps, die oft ganz einfach umzusetzen sind, aber den intensiven Austausch, das Gespräch, wieder zu einer erfreulichen Sache für beide Beteiligten machen. Der Teufelskreis kann meist schnell wieder durch Engelskreise ersetzt werden.
Wie spiele ich mit einem Baby?
Aufgrund der intuitiven elterlichen Fähigkeiten brauchen die meisten Eltern keinerlei Anleitung, wann sie wie mit ihrem Baby spielen sollen. Alle Eltern-Baby-Paare erfinden ihre ganz eigenen Spielchen, die dann endlos wiederholt und auch weiterentwickelt werden. Natürlich kommt einem das Spiel mit einem Baby, wenn es noch sehr klein ist, wie eine große Herausforderung vor, denn es kann ja zunächst weder sprechen, noch mit Gegenständen umgehen und sich nicht fortbewegen. Daher ist das ganz frühe Spiel begrenzt auf den Austausch von Geräuschen, Gesichtsausdrücken, Gesten und beiderseitigen Interessebekundigungen durch Blickkontakte. Trotzdem können Eltern und Baby bereits viel Freude am gemeinsamen Austausch haben. Außerdem entwickelt sich das Baby schnell. Es erwirbt immer neue Fähigkeiten, die dann auch die Art des Austauschs mit den Eltern verändern. Ein kleiner Überblick zeigt, auf welche Veränderungen Eltern sich im ersten halben Jahr der Unterhaltung mit ihrem Baby einstellen können:
Körperliche Anpassung an die neue Welt: Das Neugeborene benötigt eine gewisse Zeit, sich an die neue Situation außerhalb des Mutterleibes zu gewöhnen. Es verwendet daher die meiste Zeit und Energie darauf, Funktionen wie Nahrungsaufnahme, Verdauung, Schlafen und Wachsein sowie seine Bewegungen zu koordinieren und ist davon noch so sehr vereinnahmt, dass es noch nicht oft und lange aufmerksam sein kann. Daher beschränkt sich der Austausch seiner Eltern mit ihm meist auf seine Beruhigung und Tröstung.
Auge in Auge…: Etwa vom dritten Monat an hat sich das Baby soweit an sein Leben gewöhnt, dass es zunehmend mehr Energie für die Aufrechterhaltung eines aufmerksamen, interessierten Zustands an seiner Umgebung verwenden kann. Dieser bezieht sich auf den wichtigsten Teil seiner Welt: seine Eltern! Diese erkennen die Veränderung in ihrem Baby, weil es nun lächelt, seine Augen aufreißt und ihnen seine Aufmerksamkeit schenkt, wenn sie es anschauen, anlächeln oder ansprechen. Jetzt kommt es oft zu einer Form des Austauschs, die durch den intensiven Blickkontakt zwischen Baby und jeweils einem Elternteil gekennzeichnet ist. Die ersten „Engelskreise“ entstehen durch das Zusammenwirken der kindlichen mit den elterlichen Fähigkeiten zur genau aufeinander abgestimmten Unterhaltung.
Zeit zum Spielen: In der Zeit nach Ende des dritten Monats wird der Austausch zwischen Baby und Eltern immer länger, und das Baby hat inzwischen bestimmte Erwartungen an das Verhalten seiner Eltern herausgebildet. Es weiß jetzt: wenn ich lächele, lächeln sie zurück! Es hat gelernt, dass es eine erfreuliche Wirkung auf seine Umwelt haben kann. Es vertraut darauf, dass seine Eltern immer wieder so reagieren werden, wie es das von ihnen gewohnt ist und ist sehr durcheinander, wenn die erwarteten Antworten einmal ausbleiben. Deshalb liebt das Baby in diesem Alter kleine Austauschsspiele, die auf ständiger Wiederholung der immer gleichen Abläufe basieren. Sie bestätigen das Baby in seinem Glauben, dass die Geschehnisse um es herum vorhersehbar sind.
Der Rest der Welt: Nach dem vierten Monat, wenn das Baby in der Lage ist zu greifen, wird der intensive „Auge-in-Auge“-Austausch teilweise ersetzt durch das Spiel mit Gegenständen oder Spielzeug. Das Baby ist nun zunehmend an seiner näheren Umgebung interessiert und lenkt durch sein Blickverhalten auch die Aufmerksamkeit seiner Eltern darauf. Der Austausch beschränkt sich nunmehr nicht auf zwei Partner, sondern kann mehrere Menschen oder Gegenstände einbeziehen. Der intensive Kontakt zu den Eltern geht aber auch dabei nie verloren.
Auf Entdeckungstour: Mit der Entwicklung des Robbens, Krabbelns und Laufens nimmt die Unabhängigkeit des Baby von seinen Eltern zu. Es muss nun nicht mehr darauf warten, dass sie sich ihm zuwenden oder es mit interessanten Gegenständen versorgen, sondern es kann sie selber aufsuchen und fast alles erreichen, was sein Interesse weckt. Der intensive Austausch zwischen Eltern und Baby wird nun seltener; die Aufgabe der Eltern besteht jetzt darin, ihr Baby bei der Entdeckung seiner Umwelt zu unterstützen und ihm zur Verfügung zu stehen, wenn es ihre Hilfe oder Zuwendung benötigt – denn Entdeckungen können auch Angst machen.
Baby + Eltern + 7 Monate Zeit = Bindung!
Nach etwa sieben Monaten des intensiven Austauschs, des Kennenlernens, der gemeinsamen Spiele und Erfahrungen hat das Baby eine Bindung zu seinen Eltern aufgebaut. Der genaue Zeitpunkt, an dem sich von Bindung sprechen lässt, ist natürlich von Baby zu Baby unterschiedlich, so wie bei allen bedeutenden Entwicklungsschritten. An bestimmten Merkmalen wird jedoch erkennbar, wann es soweit ist.
Die Sicherheit oder Unsicherheit der Bindung wird noch im ganzen ersten Jahr und in zunehmend geringerem Maße auch in den Jahren danach beeinflusst. Je nachdem, wie feinfühlig die Eltern den Bedürfnissen ihres Babys nach Zuverlässigkeit und gefühlsmäßigem Austausch nachkommen, entwickelt sich das Gefühl von Vertrauen und Geborgenheit im Baby. Durch dieses werden wiederum sein Verhalten und seine Persönlichkeit mitbestimmt.
Aber was ist, wenn…
Obwohl die Feinfühligkeit der Eltern eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer sicheren Bindung spielt, gibt es doch auch Faktoren, die sich von Eltern und Baby nicht direkt beeinflussen lassen, die aber dennoch Auswirkungen auf die Bindungssicherheit des Babys haben können. So können z.B. Krankheiten des Babys die Beziehungsaufnahme wesentlich erschweren.
Ein krankes oder auch ein viel zu früh geborenes Baby verfügt nämlich nicht in genügendem Ausmaß über die oben beschriebenen angeborenen Wahrnehmungs- und Mitteilungsfähigkeiten, denn es ist durch die Schmerzen abgelenkt und geschwächt bzw. einfach noch zu unreif, um sie einsetzen zu können. Die Eltern können ihr Baby dann nicht so gut verstehen und dementsprechend schwer kann es für sie sein, feinfühlig seine Bedürfnisse wahrzunehmen und sich danach zu richten. Das für den Bindungsaufbau unverzichtbare “Gespräch” wird also empfindlich gestört, obwohl vielleicht auf Seiten der Eltern die besten Voraussetzungen zur Feinfühligkeit bestehen.
Ein weniger tragischer Einflussfaktor auf den Bindungsaufbau ist das Temperament des Babys. Ja – bereits Neugeborene haben verschiedene Charaktere! Manche Babys sind einfach von Natur aus leicht irritierbar, d.h. sie lassen sich schnell durch alles Mögliche aus der Ruhe bringen. Für Eltern kann es dann schwierig sein, das richtige Maß zu finden zwischen zu viel Anregung, die das Baby überlastet, und zu wenig Ansprache, was den Bindungsaufbau – und auch die übrige Entwicklung – gefährden könnte. Andere Babys sind sehr ruhig und ihre Eltern bekommen den Eindruck, dass sie gar nicht zu ihm durchdringen oder dass es vielleicht gar kein Interesse an einem Austausch mit ihnen hat. Sie müssen sich also besonders anstrengen, um den notwendigen intensiven Austausch mit ihrem Baby zu erreichen. Früher oder später finden die meisten Eltern dennoch einen Weg zu ihrem Baby.
Auf der anderen Seite gibt es auch Dinge auf Seiten der Eltern, die zu Problemen mit dem Bindungsaufbau des Babys führen können. So kann z.B. auch ihr Temperament die Bindung mitprägen, indem es ihren Umgang mit ihren intuitiven elterlichen Fähigkeiten beeinflusst. Aber auch körperliche oder seelische Erkrankungen können diese wichtigen Fähigkeiten erheblich beeinträchtigen. Geschieht das über einen längeren Zeitraum, kann auch dadurch der Bindungsaufbau gefährdet sein.
Wesentlichen Einfluss auf die Feinfühligkeit von Eltern hat auch ihre Bindung zu ihren eigenen Eltern. Die Bereitschaft, ein Baby zu trösten oder aber schreien zu lassen, hat viel mit den eigenen Kindheitserfahrungen zu tun. Diese werden durch die Geburt eines eigenen Babys wiederbelebt, und so wiederholen sich oft positive wie negative Tendenzen von Generation zu Generation: Eltern, die als Kind misshandelt wurden, misshandeln oft auch ihr Kind, und Eltern, die selber gute Erfahrungen mit Bindung machen konnten, können auch ihren eigenen Kindern gegenüber feinfühlig sein. Das bedeutet aber nicht, dass Eltern mit negativen Kindheitserlebnissen zwangsläufig negative Beziehungsmuster an ihr eigenes Baby weitergeben müssen. Eine wichtige Rolle spielt dabei, ob die Eltern den Einfluss ihrer eigenen kindlichen Erfahrungen mit Bindung auf ihr aktuelles Verhalten anerkennen können und sich bemühen, diese Vergangenheit zu überdenken, um zu einem ausgeglicheneren, liebevollen Umgang mit ihrem Baby zu gelangen. Es bedarf jedoch einer erheblichen Fähigkeit zur Einsicht und des Nachdenkens, um eine Weitergabe negativer Bindungserfahrungen zu verhindern. In Fällen schwerer seelischer Verletzungen in der Kindheit kann psychologische Hilfestellung nötig sein, um dem eigenen Baby eine sichere Bindung zu ermöglichen.
Fast alle der genannten Einflussfaktoren auf den Bindungsaufbau zwischen Eltern und Kind – und es gibt natürlich noch mehr – wirken meist nur kurzfristig auf den Austausch zwischen ihnen ein, so dass in den darauffolgenden Monaten und Jahren noch vieles “aufgeholt” werden kann. Das biologische Programm, das hinter dem Bindungsaufbau steht, ist so stark, dass es sich nicht einfach durch ein paar Widrigkeiten abschalten lässt. Schließlich können Eltern nicht immer feinfühlig auf ihr Baby reagieren – man denke an den Alltag, in dem das Baby meist nicht die einzige zu erfüllende Aufgabe darstellt – und auch Babys können nicht immer “gut drauf” sein. Und trotzdem finden sich noch genügend Gelegenheiten für einen erfreulichen Austausch, gemeinsame Erfahrungen und gegenseitiges Kennenlernen, so dass sich das Baby sicher binden kann.