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Ebay und das „neue EU-Recht“ Ebay-Verkäufer erfinden täglich neue Gesetze |
EU-Recht
Um
es vorweg zu nehmen: Europäisches Recht gibt es natürlich
wirklich. Aber es hat selten unmittelbare Auswirkungen auf denjenigen,
der in Europa lebt. Denn das EU-Recht manifestiert sich in der Regel
durch die Existenz von Richtlinien, die den EU-Mitgliedstaaten
vorschreiben, innerhalb einer gewissen Frist eigene Gesetze zu erlassen
- auf diese Weise stricken sich die europäischen Länder ihr
eigenes Recht aus den EU-Bestimmungen.
Bei Ebay.de aber ist alles anders: hier scheint das EU-Recht
allgegenwärtig. Viele, viele Privatverkäufer schreiben in
ihren Auktionsbeschreibungstext, dass sie „wegen dem neuen EU-Recht“
keine Garantie für ihre Verkäufe geben könnten
oder dürften. Um welches Gesetz es sich handelt, schreiben sie
natürlich nicht, denn das Finden eines solchen würde ihnen
ziemlich schwerfallen - ein entsprechendes EU-Gesetz existiert
nämlich nicht.
Hintergrund
der falschen Rechtsbelehrungen dürfte folgender sein: Seit dem 1.
Januar 2002 gilt in Deutschland ein geändertes
BGB,
das das
Schuldrecht (also die Bestimmungen, die z.B. den Handel und Verkauf
regeln) reformierte. Grund für die Veränderungen war
zumindest teilweise tatsächlich die Umsetzung einer
EU-Richtlinie.
So entstand neues
deutsches Recht, aus dem man u.a. ableiten kann, dass
Privatverkäufer in bestimmen Fällen für Mängel an
ihren Sachen nicht haften
müssen, wenn sie eine Gewährleistung vorher vertraglich
ausgeschlossen
haben.
Gewährleistung oder Garantie
Gewährleistung, korrekterweise als Sachmängelhaftung
(je nachdem auch Rechtsmängelhaftung) bezeichnet, ist vereinfacht gesagt die Pflicht eines Verkäufers,
für die Korrektheit seiner Verkäufe zu sorgen, d.h. für
auftretende Mängel an einer Sache (die bereits bei der
Übergabe an den Kunden existierten) innerhalb einer
bestimmten
Zeit nach dem Verkauf zu haften. Das ist
eine
gesetzliche Pflicht, die demnach für jeden gilt. Für einen
Käufer bzw. Kunden ergibt sich so der Eindruck, der Verkäufer
würde für die reibungslose Funktion oder Beschaffenheit
seines Produktes garantieren. Mit „Garantie“ hat das aber nichts zu tun
- Garantie ist immer ein freiwilliges zusätzliches Versprechen
eines Verkäufers, über die gesetzliche
Gewährleistungspflicht hinaus für eine reibungslose Funktion
oder bestimmte Produktbeschaffenheit zu sorgen („Garantie“ muss man
daher auch nicht ausschließen, wenn man sie erst gar nicht
anbietet). An ein Garantieversprechen
muss sich der Verkaufende dann natürlich auch halten, wenn er es
einmal gegeben hat. Die Gewährleistung hingegen greift nur dann, wenn Probleme auftauchen, z.B. wenn eine verkaufte
Sache nicht der ursprünglichen Beschreibung oder dem
„Normalzustand“ entspricht, etwa der verkaufte Artikel nicht so
verwendet werden kann, wie der Käufer es z.B. nach dem
Beschreibungstext erwarten konnte.
Die Fakten
Bei Verkäufen gilt immer, bis auf einige Sonderfälle, die
gesetzliche
Gewährleistung - nur manchmal eben nicht bei
Privatverkäufern: letztere können durch vertragliche
Vereinbarung selbst für eine
Ausnahme von der Regel sorgen - z.B. durch einen Hinweis im
Verkaufstext, der die
(gesetzliche) Gewährleistung ausschließt oder
einschränkt. Ein privat Verkaufender kann sich bei Gebrauchtwaren praktisch
aussuchen, ob oder wie lange er Gewährleistung einräumen
möchte. Ein Freibrief ist das dann aber
nicht: wer seine
Käufer in die Irre führt oder sogar ein anderslautendes
Garantieversprechen („ich garantiere, der Anzug hat keine Flecken...“) gegeben hat, dem
hilft auch kein
Gewährleistungsausschluss. Andernfalls, wenn man nichts angibt,
gilt
auch bei privaten Verkäufen automatisch die normale gesetzliche
Gewährleistungspflicht für zwei Jahre.
Nur
wenn Neuware verkauft wird und der Verkäufer sich dazu
Standardtexte (im Ebay-Jargon:
Textbausteine) bereitlegt, die er immer wieder zur
Gewährleistungsbeschränkung bei seinen Verkäufen
benutzen möchte, darf
er die Gewährleistungspflicht höchstens auf ein Jahr
verkürzen (eine
generelle EU-Rechts-Klausel kann also ganz schön "nach hinten
losgehen", denn die ist dann ungültig und der Verkäufer muss
automatisch volle 2 Jahre Gewährleistung übernehmen).
Gewerbliche Händler („Unternehmer“) haben diese Option
übrigens nicht. Hier kann man sich als privater Käufer im
Normalfall auf ein zweijähriges Gewährleistungsrecht
verlassen. Allerdings dürfen Gewerbetreibende den
Gewährleistungszeitraum auf ein Jahr verkürzen, wenn sie
Gebrauchtwaren verkaufen - was bei Ebay sicherlich öfter vorkommen
dürfte. Aber auch hier gilt: wenn eine Verkürzung der Gewährleistungspflicht
vorher nicht vereinbart wurde (z.B. durch Hinweis im
Beschreibungstext), gilt die normale zweijährige
Sachmängelhaftung.
Dieses
hält viele Privatverkäufer aber nicht davon ab, Halb- oder schlicht Unwahrheiten zu verbreiten, die dann von anderen
Ebay-Verkäufern munter kopiert werden. Gewissermaßen ist der
"EU-Rechts"-Hinweis das Ebay-Pendant zur
Linkurteil-Klausel
auf Webseiten. Man versucht, sich vor einer möglichen Haftung zu
schützen und übertreibt dabei gehörig - eine Suche nach
dem Artikelbeschreibungstext „eu-recht“ bei ebay.de brachte am
23.11.2003 eine Ergebnisliste mit über 300.000 Treffern.
E-U-nfug
Auch
eine missglückte oder sogar inhaltlich falsche Formulierung
kann bei Privatverkäufern durchaus dennoch ihren Zweck
erfüllen - ein Richter würde im Streitfall mit ziemlicher
Sicherheit auch bei dem „Ausschluss der Garantie“ annehmen, dass der
Verkäufer damit die Gewährleistung ausschließen wollte.
Kritisch wird es aber, wenn gewerbliche Verkäufer versuchen, sich
mit einem Verweis auf die für Privatverkäufer gedachte
Regelung der Verantwortung zu entledigen, was nicht erlaubt ist. So
oder so entstehen auf diese Weise (wohl auch durch das Vermischen der
unterschiedlichen Regelungen für Privatleute und Unternehmer)
interessante Kreationen, die sich
dann z.B. so lesen (und da es die Gewährleistung auch schon nach
altem Recht gab und sie im BGB keineswegs etwas Neues ist, wirkt es umso unsinniger):
Das
neue EU-Recht schreibt vor, dass auch Privatleute eine Garantie und
Umtauschrecht geben müssen, es sei denn, dass sie dies
ausschließen
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Falsch. Garantie muss niemand geben. Umtauschrecht auch nicht. Erst recht nicht nach einem neuen EU-Recht.
Als
Käufer sind Sie damit einverstanden, im Gegensatz zum neuen
Verbraucherschutzgesetz, keinen Gebrauch vom neuen Garantie-Gesetz zu
machen
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Nein,
das bin ich nicht. Denn es gibt nicht mal in Nur-Deutschland ein
Garantie-Gesetz. Auch kein neues. Und selbst wenn's eines gäbe,
könnte man die dortigen Regelungen nicht einfach durch einen
bloßen Hinweis ungültig werden lassen. Da kann man noch so
viel schreiben.
Keine Gewährleistungsgarantie!
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Hilfe!
Auch durch ein Zusammenmanschen der Begriffe wird es nicht 'richtiger'.
Den Vogel schießen dann diejenigen ab, die meinen, „Gewähr“
mit zwei „e“ schreiben zu müssen (was dann ironischerweise wieder
einen Sinn ergibt - da bei Ebay aber keine Waffen gehandelt werden
dürfen, ist wohl auch diese Klausel überflüssig).
Das
neue EU-Recht schreibt jedoch vor, dass nun auch Privatleute eine
Garantie von einem Jahr und Umtauschrecht auf alle Produkte geben
müssen, es sei denn, dass sie dies ausschließen.
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Nein,
nein, nein! Niemand schreibt vor, dass Privatleute eine Garantie geben
müssen. Und ein pauschales Umtauschrecht gibt's auch nicht.
Privatverkauf, d.h. wir können keine Gewährleistungsgarantie nach neuster EU-Norm geben.
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Na, wenn da das Wörtchen „Garantie“ nicht
drinstecken würde, wär's schon nicht mehr ganz so grausam -
aber wer Spaß dran hat, darf trotz neuem Schuldrecht auch gern
Gewährleistung und Garantie übernehmen!
ACHTUNG:
Wegen der neuen Gesetzesbestimmungen erfolgt die Auktion unter
Ausschluss jeglicher Gewährleistung, Garantie und Rücknahme.
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Schon
etwas besser, aber ob man wirklich damit durchkommt, die Rücknahme
zu verweigern, wenn man statt der versprochenen Digitalkamera einen
Backstein liefert? Ich weiß nicht...
Nach
neuen EU-Recht handelt es sich bei der Auktion um einen Privatverkauf,
der jegliche Gewährleistungsansprüche ausschließt.
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Nee,
so geht's jetzt aber wirklich nicht. „Bei diesem Apfel handelt es sich
um eine Birne, die jegliches Obst ausschließt!“
(...) jedoch wird jedes EU-Recht als Privatversteigerer augeschlossen!
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„Bieten
Sie bei mir! Meine Auktionen sind ein komplett rechtsfreier Raum!“
(bzw.: das arme EU-Recht, nicht mal das darf jetzt noch privat
mitbieten)
Die EU zwingt mich dazu: Da dies ein Privatverkauf ist, übernehme ich keinerlei Garantie, welcher Art auch immer!!
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Wir kommen bestimmt alle lebenslang hinter Gitter, wenn wir freiwillig Garantien geben. Gaaaaaaanz bestimmt.
Da Verkauf von privat kann keine Gewährleistungsgarantie übernommen werden!
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Verlangt ja auch niemand.
Das neue EU-Recht sieht eine einjährige Gewährleistungsgarantie bei Gebrauchtwaren vor (...)
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Neiiiiiiiiiin!
Nach neuem EU-Recht muss ich darauf hinweisen, dass es sich um Privatverkauf handelt!
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Neiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin!
Der
Artikel wird "so wie er ist" von Privat verkauft, was bedeutet: mit der
Abgabe des Gebotes erklären Sie sich ausdrücklich damit
einverstanden, auf die Ihnen gesetzlich zustehende Garantie bei
Neu/Gebrauchtwaren völlig zu verzichten.
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1.) „so wie er ist“ heißt im Deutschen immer noch „gekauft wie gesehen“.
2.) das bedeutet alles mögliche, aber nicht, dass ich mich mit irgendwas einverstanden erkläre.
3.) schon gar nicht ausdrücklich.
4.) und es gibt immer noch keine gesetzliche Garantie.
5.) Sie haben mit dieser Klausel Ihre Verkaufslizenz nach neuem
EU-Recht verloren! Melden Sie sich beim Institut für
Merkbefreiung, Abteilung Anglizismen.
(...)
wundern sie sich bitte nicht über diesen Disclaimer, aber er
wird schon in kurzer Zeit so oder so ähnlich bei jedem
eBay-Angebot stehen!
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Leider. Der Herdentrieb liegt unbesiegbar in der Natur des Menschen.
Auf
einen Verweis auf die Verfasser wurde an dieser Stelle ausnahmsweise
verzichtet, da diese Hinweise austauschbar sind und offenbar
ständig
voneinander abgeschrieben werden (die Stichprobenquellen liegen jedoch vor). Was viele Verkäufer dabei nicht
zu bedenken scheinen: Gewährleistung bedeutet nichts anderes, als
dass man dafür Sorge zu tragen hat, dass bei einem Produkt nach dem Verkauf keine versteckten Mängel auftreten.
Also genau das, was ein Käufer bei einem ganz normalen Kauf erwarten
würde. Nochmal zur Erinnerung: Es wird
nicht verlangt, dass ein Verkäufer eine
Haltbarkeitsgarantie
für verkaufte Dinge übernimmt, sondern er soll bloß
dafür geradestehen, dass seine Verkäufe bei der Übergabe
an den Käufer in Ordnung waren (bzw. so sind, wie sie im
Verkaufstext beschrieben wurden) - und das auch nicht für immer
(was eigentlich auch kein Problem wäre), sondern nur innerhalb von
2 Jahren nach dem Verkauf. Und trotzdem wird es
Privatverkäufern erlaubt, diese
Gewährleistung bei Neu- wie Gebrauchtwaren zu vermeiden.
Bei z.B. komplexen Geräten ist dies auch recht sinnvoll: hat etwa
jemand noch einen Computer zu Hause herumstehen, dessen Innenleben
er nicht einschätzen kann, aber nun trotzdem versucht,
diesen für ein paar mickrige Euronen über Ebay loszubekommen,
dann kann man verstehen, dass dieser Jemand nicht irgendwann Post
vom Käufer bekommen möchte, in der dieser sich
beklagt, das CD-ROM-Laufwerk würde nicht mehr funktionieren und
der Verkäufer solle doch bitte ein neues einbauen. Wer allerdings
die Gewährleistung für ein Buch ausschließt, der muss
sich die Frage gefallen lassen, was er sich davon eigentlich verspricht.
Dass es
potentielle Käufer vielleicht abschrecken könnte, wenn jemand
betont, keine Verantwortung für seine Ware übernehmen zu
wollen, wird offenbar ignoriert. Und noch einen Nebeneffekt hat
dieses Klausel-Verbreiten: Wenn jemand früher irgendein Gerät
anbot und dazuschrieb „bis gestern hat es einwandfrei funktioniert,
aber
ich schließe jegliche Gewährleistung aus“, dann konnte man
sich ziemlich sicher sein, dass dieser jemand einen Dummen suchte, dem
er seinen wertlosen Schrott verkaufen konnte. Inzwischen kann man sich
da schon nicht mehr ganz so sicher sein. Also, liebe E-Bayern: zum
Wohle der Allgemeinheit und zum Seelenfrieden der kleinkarierten
Kritiker bitte nicht immer alles unreflektiert abschreiben!
Ansonsten gilt:
Viel Spaß beim Bieten und
Viel Spaß beim Bewerten!
(Dank an Holger P. für fachlich ergänzenden Beistand)
Artikel vom 24.11.2003
letzte Änderung am 20.3.2008
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